kleine gesten für mehr gleichberechtigung
Im Frühjahr 2024 teilte Ashley Chaney unter dem #microfeminism ein Video in dem sie erzählte, dass sie in geschäftlichen E-Mails, immer zuerst die Mailadresse der weiblichen Assistentin schreibt, vor der des männlichen CEO. So zeigt sie, dass die weibliche Person gesehen wird. Sie forderte andere auf, ihre mikrofeministischen Hacks zu teilen. Offenbar traf sie einen Nerv. Das Video ging viral.
Der Social Media Trend des #microfeminism war geboren.
Viele weitere Frauen posteten ähnliche Geschichten. In tausenden Kommentaren wurden Gesten und Strategien geteilt, wie Frauen mit ungefragten Rollenzuweisungen, Herabwürdigungen und männlichem Dominanzverhalten umgehen.
Eine Erzieherin erzählt, wie sie konsequent die Väter anruft, wenn ein Kind krank aus der Kita geholt werden muss, andere entscheiden sich nicht mehr von Fußball und Frauenfußball zu sprechen, sondern von Männerfußball und Frauenfußball.
Durch unerwartetes Verhalten werden Irritationen ausgelöst. Patriarchale Selbstverständlichkeiten werden ad absurdum geführt, verdeckter Sexismus ans Licht gebracht und Stereotype herausgefordert.
Der Begriff Mikrofeminismus trifft auch bei Feminist*innen nicht nur auf Begeisterung.
Hört es sich doch an, als gäbe es den großen wichtigen Feminismus, Stichwort feministische Außenpolitik und den kleinen Feminismus, der ungefährlich ist und niemandem weh tut. Um eine wirkliche Gleichberechtigung zu erlangen, braucht es sicherlich feministisches Handeln auf verschiedensten Ebenen der Gesellschaft. Eine wichtige Ebene ist aber eben jene des feministischen Alltagshandelns.
Aus der Neurowissenschaft ist vielfach bestätigt, dass stetige, kleine Veränderungen unsere Wahrnehmung, unser Denken und Handeln beeinflussen und so neue Wege entstehen. Es liegt also eine große Kraft darin, kleine Dinge anders zu machen.
Deshalb finde ich es inspirierend sich über Strategien auszutauschen, die helfen,
- Frauen in sexistischen Situationen zu empowern.
- Irritationen hervorzurufen und ein Nachdenken anregen.
- eingefahrene Strukturen aufzuzeigen und aufzubrechen.
- Denken und Handeln Schritt für Schritt verändern. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Ein paar mikrofeministische Hacks für dich!
Ich habe mich durch eine ganze Reihe von Social Media Posts und Kommentaren gelesen. Und habe für dich eine Auswahl an feministischen Hacks für ganz alltägliche Situationen in einer patriarchalen Gesellschaft zusammen gestellt.
Vorab sei hier gesagt:
Natürlich sind einige dieser Anregungen nicht gerade ein wünschenswerter, wertschätzender Umgang zwischen Menschen in einer idealen Welt. Manch eine Idee ist eher als Notwehr zu betrachten oder als Mittel um die Absurdität von Verhaltensweisen aufzuzeigen, Irritationen hervorzurufen und damit Veränderung anzustoßen.
Und das Ganze ist auch mit einer guten Portion Humor zu betrachten.
Die Absurdität von patriarchalen Selbstverständlichkeiten sichtbar machen
- Probier es mal mit dieser Frage: Klaus, wie geht’s deinem Partner? – Du meinst wohl, meiner Partnerin? Ach, immer die weibliche Form zu nennen, finde ich unnötig.
- Nenn einen Mann einfach mal so „junger Mann“.
- Verfeinere doch mal ein Kompliment an einen Mann mit dem Zusatz für einen Mann. Zum Beispiel „Du kennst dich aber gut aus für einen Mann.“
- Signalisiere deinem männlichen Gegenüber, dass du davon ausgehst, dass er Entscheidungen nicht ohne die Hilfe seiner Frau treffen kann.
- Weise einen Mann einfach ungefragt beim Einparken ein.
- Kommentiere ein Outfit eines Mannes mit „Das ist aber ein gewagtes Outfit!“ Oder “Ich finde es mutig von dir, dass du dich so kleidest in deinem Alter.“
Selbstverständliches Raum nehmen durch Männer
- Viele Männer rechnen selbstverständlich damit, dass du ihnen als Frau aus dem Weg gehst, wenn ihr euch auf dem Bürgersteig begegnet. Bleib einfach mal ganz entspannt auf deiner Spur und setze darauf, dass der Mann ausweicht.
- Im Kino, in der Bahn, im Flugzeug nehmen Männer oft die Armlehne als ihren Raum in Anspruch. Nimm dir diesen Raum und mach es dir bequem, egal, ob das auf Irritation stößt oder nicht.
- In der Bahn sitzen Männer oft breitbeinig, Frauen, hingegen überschlagen eher ihre Beine und belegen so deutlich weniger Platz. Wenn dich das stört, setz dich so breitbeinig hin, wie du magst und nimm dir so viel Raum, wie du magst.
- Wird eine Frau beim Sprechen unterbrochen, gib ihr bewusst den rAum zurück indem du sagst z.B. sagst: “Ich würde gerne zu ende hören, was Tina sagen wollte.”
Sprache ist eng verbunden mit unseren Rollenvorstellungen
- Streiche Geschlechtsspezifische Begriffe, die Frauen in Kategorien schieben wie Partygirl, Hausfrau, Drama-Queen, Mädchen für alles, Rabenmutter, Powerfrau, Working Mom aus dem Wortschatz. Für keine dieser Bezeichnungen gibt es ein männliches Pendant.
- Sprich immer mal wieder in der weiblichen Form, zum Beispiel Ich gehe zur Ärztin oder zur Optikerin.
- Sprich mit deinen Kindern, wenn ihr Bilderbücher lest oder über Menschen auf der Straße sprecht von Menschen und Kindern und nicht von Männern/Frauen und Jungen bzw. Mädchen.
- Sprich von Männer-Fußball und Frauenfußball anstatt von Fußball und Frauen-Fußball.
Zuschreibungen als Mutter und als Vater
Sobald du Elternteil in einer heterosexuellen Beziehung wirst, hast du es mit einer ganzen Ladung von Rollenzuweisungen zu tun. Zum Beispiel werden in Konstellationen, wo die Kinder 50:50 von Vater und Mutter betreut werden, oftmals die Väter gelobt, was für liebevolle und fürsorgliche Väter sie seien und die Frauen als Rabenmütter angesehen, weil sie ja nur 50% machen.
Es gibt ein schier unendliches Potenzial, Mutter- und Vaterrollen herauszufordern.
Hier ein paar Anregungen:
- Frage Männer auf der Arbeit doch mal, wer denn eigentlich gerade auf seine Kinder aufpasst.
- Oder frage ihn, wie er Job und Kinder unter einen Hut kriegt.
- Frag bei befreundeten Familien den Vater, wie es in der Kita läuft, wie es dem Kind geht etc. und nicht die Mutter.
- Bei Fragen nach der Kleidergröße deines Kindes verweise an den Vater.
- Lade grundsätzlich Väter in Geburtstags-Whatsapp-Gruppen der Kinder ein.
- Wenn ein Kleidungsstück, eines Kindes dreckig wird, sag: Das kann dein Papa sicherlich wieder waschen.
- Wenn etwas kaputtgeht, sag: Das kann deine Mama sicherlich reparieren.
Kindern weniger Enge Rollen vorleben
- Beim Vorlesen von Kinderbüchern vertausche die Genderrollen, der Protagonist*innen. Es gibt leider immer noch sehr viel mehr Kinderbücher mit männlichen Hauptrollen und weiblichen Helferchen.
- Wenn du Kleidung deines Kindes an andere Eltern weitergibst, gib auch die Röcke und Kleider mit weiter, egal, welches Geschlecht das andere Kind hat.
- Mach Kindern Komplimente über ihr Handeln und nicht über ihr Aussehen, auch und vor allem bei Mädchen.
- Schenke Jungen Puppen, Puppenhäuser und Mädchen Dinge zum Konstruieren und mit 4 Rädern.
- Zeige Mädchen, dass es okay ist laut und Platz einnehmend zu spielen.
Frauen sichtbar machen und unterstützen
Frauen müssen oft weit mehr leisten, um in der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft das Gleiche zu erreichen, wie Männer, von daher hier ein paar Anregungen wie du Frauen mit kleinen Gesten unterstützen kannst.
- Empfiehl explizit Bücher, Filme und Serien von, mit und über Frauen.
- Stelle Frauen in den Vordergrund zum Beispiel durch „Ich kenne da eine Frau, die …“,
- Unterstütze bewusst Produkte von Unternehmen, die sich für Gleichstellung einsetzen.
- Kaufe gezielt bei von Frauen geführten Unternehmen ein.
Das Patriarchat abschaffen, werden wir mit diesen mikrofeministischen Strategien nicht.
Aber vielleicht rufen wir ein Umdenken bei manch einer Person hervor.
Das Schöne an diesen Formen von gelebtem Alltagsfeminismus ist: Sie sind für alle machbar. Es braucht keine Extrazeit oder Kapazitäten, um aktiv zu werden. Du kannst kleine, feine Veränderungen einfach in deinen Alltag integrieren.
Schau, ob dich etwas davon inspiriert und probier es einfach mal aus. Lass mich gerne wissen, wie es dir damit ergeht.
Und natürlich freue ich mich auch über weitere Ideen und Hacks in den Kommentaren.