GENDER CARE GAP
Die unsichtbare Last der Sorgearbeit
Wir alle kennen das Gefühl, wenn die To-Do-Liste endlos scheint und die Tage viel zu kurz sind. Für viele Frauen ist dieser Zustand nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ein Grund dafür ist der sogenannte “Gender Care Gap” – die ungleiche Verteilung von unbezahlter Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen.
Was bedeutet das konkret?
An Frauen bleiben überproportional oft Aufgaben wie Kinderbetreuung, die Pflege von Angehörigen oder der Haushalt hängen. Diese Arbeit ist nicht nur zeitintensiv und erfordert oft ständige Verfügbarkeit, sondern wird auch gesellschaftlich abgewertet oder gar unsichtbar gemacht.
Die Bertelsmann-Studie: Eine Frage der Wahrnehmung?
Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass Männer ihren eigenen Beitrag zur Hausarbeit systematisch überschätzen. Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen im Durchschnitt deutlich mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit aufwenden als Männer, die Männer das aber gar nicht so wahrnehmen. Diese Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Realität ist einer von vielen Faktoren, der die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit aufrechterhält.
Der Gender Care Gap in Zahlen
Der Gender Care Gap beträgt nach aktuellen Zahlen 44,3%, d.h. Frauen machen im Durchschnitt täglich 79 Minuten mehr Sorge- und Hausarbeit als Männer. In Haushalten mit kleinen Kindern ist der Unterschied noch sehr viel größer.

Diese ungleiche Verteilung von Sorgearbeit hat weitreichende Folgen für Frauen:
Finanzielle Abhängigkeit
Wenn Frauen aufgrund von unbezahlter Sorgearbeit weniger oder gar nicht bezahlt arbeiten können, sind sie finanziell von ihrem Partner abhängig. Diese Frauen können sich nicht, wenn nötig oder gewollt, aus der Partnerschaft lösen. Sie stehen sehr schlecht da, wenn der Partner sich trennt oder stirbt. Und sie erwerben keine oder nur geringe Rentenansprüche, was viele Frauen in die Altersarmut drängt.
Eingeschränkte Karrieremöglichkeiten
Der Gender Care Gap erschwert es Frauen, beruflich voranzukommen. Frauen und Mütter arbeiten zu einem sehr viel größeren Anteil in Teilzeit. Beförderungschancen und Karriere werden leider weiterhin oft mit Vollzeit-Arbeit verknüpft, auch wenn es bereits viele andere Ansätze gibt, wie zum Beispiel Jobsharing. Auch die Kompetenzen, die Eltern sich in ihrer Sorgearbeit aneignen und oftmals gut auf das Berufsfeld übertragen werden können, werden erst sehr langsam anerkannt. Eine tolle Initiative hierzu ist Unpaid Care Work.
Erhöhtes Stresslevel und Burnout-Risiko
Die Doppelbelastung aus Erwerbsarbeit und unbezahlter Sorgearbeit kann zu chronischem Stress, Erschöpfung und Burnout führen. Frauen, die ständig “funktionieren” müssen, haben wenig Raum, um auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten.
Gesellschaftliche Ungleichheit
Der Gender Care Gap trägt dazu bei, dass Geschlechterstereotype aufrechterhalten werden und Frauen in vielen Bereichen des Lebens benachteiligt werden.
Was können wir dagegen tun?
Der Gender Care Gap ist ein komplexes Problem, das nur durch ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen gelöst werden kann:
Bewusstsein schaffen – und Selbstwahrnehmung fördern
Es ist wichtig, das Thema Gender Care Gap öffentlich zu diskutieren und die gesellschaftliche Wahrnehmung für die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit zu schärfen. Eine tolle Initiative hierzu ist der Equal Care Day. Das Thema Sorgearbeit muss raus aus der „Frauenecke“, es ist ein Thema, das uns alle angeht. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Wirtschaft basiert darauf, dass jeden Tag unendliche Stunden Sorgearbeit geleistet werden. Würde das nicht stattfinden, würde die Wirtschaft so nicht funktionieren. (Der Dokumentarfilm „Ein Tag ohne Frauen” über den Frauenstreik auf Island 1975 kommt übrigens am 13.03. in die Kinos).
Politische Maßnahmen
Die Politik ist gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine gleichberechtigte Aufteilung von Sorgearbeit ermöglichen. Nach Teresa Bücker, die sich in ihrem Buch “Alle Zeit” intensiv mit den Fragen von Zeit, Macht und Freiheit beschäftigt, braucht es eine Abschaffung der 40h-Woche als Standard, da diese nicht mit Gleichberechtigung zu vereinbaren ist und es braucht eine öffentliche Anerkennung der Gleichwertigkeit von Sorge- und Erwerbsarbeit.
Darüber hinaus gehören zu nötigen politischen Maßnahmen u.a. der Ausbau von Betreuungsangeboten, die Förderung von flexiblen Arbeitszeitmodellen, die Einführung einer Familienstartzeit für Väter und eine andere Verteilung von Elternzeitmonaten.
Rollenbilder aufbrechen
Wir müssen tradierte Rollenbilder hinterfragen und neue Vorbilder schaffen. Traditionelle Rollenbilder von Frauen und Männern, Müttern und Vätern sind leider weiterhin tief in unserer Gesellschaft verankert.
Manche Dinge sind bewusst und ausgesprochen, so denken immer noch viele Menschen, die Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen sei primär die Aufgabe von Frauen. Aber auch unbewusst arbeiten diese tradierten Rollenvorstellungen mit. So beschleicht viele Frauen, die zwar 50% der Sorgearbeit machen, dennoch öfter mal so ein leises Gefühl, dass sie vielleicht zu wenig machen, weil auch sie von klein auf Sätze gehört haben wie:„Eine Mama gehört zu ihrem Kind.” – „Mütter wissen am besten, was das Kind braucht.” etc. Dies führt manches Mal auch dazu, dass Frauen sich schuldig fühlen, wenn sie ihre eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund stellen oder berufliche Ambitionen verfolgen.
Tolle Arbeit hierzu leistet zum Beispiel das Buch “Der Mythos Mutterinstinkt”, welches nachweist, dass es den Mutterinstinkt nicht gibt. Es gäbe viel mehr einen Fürsorgemuskel, also das Wissen und Gespür dafür, was Kinder brauchen, und der kann und will trainiert werden. Das können gebärende Eltern genauso wie nicht gebärende, zentral ist hierfür die Zeit, die mit dem Kind verbracht wird und die Nähe zum Kind. Auch Männer- oder Väterbilder gilt es zu hinterfragen und mehr Raum zu schaffen für verschiedene Formen von Männlichkeit und Wegen Vaterschaft zu leben.
Was heißt das nun für unseren Alltag?
Wir können reflektieren, wie wir die Aufteilung und Bewertung von Sorge- und Erwerbsarbeit handhaben.
Welche Sorgen und welche Vorannahmen führen dazu, dass wir es so leben?
Was sind die Konsequenzen (Kompetenzungleichgewicht, Rentenlücke, Unzufriedenheit)? Sind wir zufrieden damit?
Was ist die Basis für unsere Entscheidungen? Ist es z.B. Geld/Haushaltseinkommen? Und wenn ja, ist es wirklich langfristig nachhaltig so zu entscheiden oder scheint es nur für den Moment einfacher?
Was sind die Hürden, die wir wahrnehmen? Und wo klappt es eigentlich schon sehr gut?
Feministische Perspektive im Coaching zum Thema Care-Arbeit
Als Coach mit feministischer Perspektive unterstütze ich Frauen dabei, die Herausforderungen des Gender Care Gaps zu reflektieren und individuelle Strategien zu entwickeln. Wir betrachten gemeinsam, wie gesellschaftliche Strukturen die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit begünstigen und erarbeiten Wege, persönliche Spielräume zu erweitern. Dabei geht es darum, eine Balance zwischen Beruf, Familie und Selbstfürsorge zu finden, ohne die strukturellen Ungleichheiten aus dem Blick zu verlieren. Ich schaffe einen Raum, in dem die oft unsichtbare Care-Arbeit sichtbar und wertgeschätzt wird und Frauen ermutigt werden, ihre eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen.